Dagmar Boedicker
e-democracy/e-government
Worum wird es auf dem Podium gehen?
Am 23. November werden wir auf der Jahrestagung eine Podiumsdiskussion veranstalten, bei der sich ausgewiesene Experten in Sachen Demokratie und ihres
e-Potenzials über deren Ziele, Wege und bisherige oder zu erwartende Ergebnisse unterhalten werden. Die Podiumsgäste sind Annette Mühlberg von ver.di, Wolfgang Kleinwächter von der Universität Aarhus und Ralf
Klischewsi von der Universität Hamburg.
Was ist was?
Die beiden Begriffe e-democracy und e-government werden häufig vermischt, tatsächlich haben sie eine gemeinsame Schnittmenge im Bereich der Bürgerkontakte mit der Exekutive. Immer dann, wenn die Bürger von ihrer Verwaltung eine Dienstleistung brauchen, oder wenn die Exekutive Stimmungen oder Interessen abfragt, sind die selben Regeln anzuwenden: Es sind vorwiegend Regeln, die auch für die IT-Sicherheit allgemein gelten. Authentifizierung und Sicherheit und Schutz der personenbezogenen Daten bei der Übertragung und der verarbeitenden Stelle.
Ziele und Versprechungen
Die Ziele freilich unterscheiden sich: e-government soll Verwaltungsprozesse beschleunigen und Kosten reduzieren. Flexibilität von Ort und Raum als klassische
Merkmale der Internet-Kommunikation sollen im Dienst des Staates und seiner Bürger stehen. Von der Ebene der Europäischen Union bis zu den Kommunen erwarten alle Akteure vor allem mehr Effizienz vom e-government.
Soweit, so relativ unproblematisch.
Die Ziele der e-democracy dagegen sind hochfliegend und gewaltig, sie versteht sich als elektronische Demokratieförderung. Bürgersinn soll geweckt und
Teilhabe angeregt werden, Politikverdrossenheit ausradiert und Parteimüdigkeit umgangen werden. Sie ist das virtuelle Allheilmittel für die Krankheiten des politischen Systems, egal ob in England, Deutschland, den
USA oder Australien. So sehen sie zumindest ihre Propagandisten.
Empowerment – Befähigung – heisst das Zauberwort. Und als Käse in der Mausefalle hat es gewisse Ähnlichkeiten mit der Eigenverantwortung, in deren Namen unsere Sozialsysteme skelettiert werden. Anscheinend sollen diejenigen unter uns, die es nicht längst leid sind, sich doch bitte ihre Informationen selbst holen, in der spärlichen Freizeit, die ihre stressigen Jobs ihnen noch lassen. Sie sollen selbst die Spreu vom Weizen trennen – wirklich eine sinnvolle Alternative zum medialen Mainstream, der sich sein neo-liberales Flussbett beständig tiefer gräbt?
Laut Institute for Public Policy Research (IPPR) kann e-democracy im lokalen Bereich folgenden Gefahren begegnen:
- Dem Sich-Abwenden der Bürger vom politischen Prozess
- Technologischer Stagnation, da die Bürger im Internet keine lokalen Politik-Inhalte oder -Foren finden
... und dabei die folgenden Chancen wahrnehmen:
- die Fähigkeit der Behörden stärken, eine führende Rolle in der kommunalen Gemeinschaft zu spielen
- die positive Wirkung von e-government verstärken
- die Bürger vermehrt in Prozesse einbinden, in denen durch eine allgemeine Interessenvertretung der allgemeine Nutzen maximiert wird
- Chancen neuer politischer Strukturen vertiefen und erweitern
Vor einem Jahr hat IPPR allerdings noch feststellen müssen, dass diese Chancen noch kaum genutzt werden – und damit wohl auch die Gefahren kaum gebannt sind. Hier und da eine lokale Abstimmung, gelegentliche Online-Befragungen der Bürger zu aktuellen Themen der Stadt- oder Gemeindeverwaltung, viel tut sich nicht auf diesem Gebiet. Nicht einmal diejenigen Potenziale sind verwirklicht, die FIfF e.V. und DVD bereits 1995 in ihrem Bericht für das Europäische Parlament[1] ausgemacht hatten.
Welche Erwartungen an e-democracy sind denkbar?
Die Akteure der e-democracy sind andere als die des e-government: Im Bereich e-democracy trifft sich eine bunte Mischung aus Wissenschaft, Kommerz,
Parteipolitik, Bürgerinnen und Bürgern. Sie alle haben Interessen, die für die politischen Entscheidungsträger bedeutsam sein können.
Was könnte e-democracy bieten?
- Vernetzung eigenständiger Bürger-Initiativen und Nicht-Regierungs-Organisationen
- Information der Bürger über politische Prozesse
- Kommunikation zwischen den Abgeordneten und ihren Wählern
- Kommunikation zwischen der Exekutive und den Bürgern
- Kontrolle der Exekutive durch Fachleute und andere Bürger
- Befragungen und Abstimmungen
- öffentliche Debatten
- partizipative Entscheidungsfindung zu Themen allgemeiner Relelevanz, insbesondere da, wo Menschen direkt betroffen sind, wie beispielsweise im
Gesundheitswesen und den sozialen Sicherungssystemen
In unserer Diskussion wird es darum gehen, die Erwartungen darauf zu untersuchen, wie realistisch und für die Bürger erstrebenswert sie sein können und welche
Hindernisse sich ihnen in den Weg stellen.
[1]Ingo Ruhmann et al:"An Appraisal of Technical Instruments for Political Control and to Improve Participation in the Information Society", 1995
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